Sie befinden sich in einer Krise? Dann möchte ich Sie zu einer kleinen gedanklichen Reise rund um dieses Thema einladen.

  • These 1:

Krisen gibt es viele, und sie haben die unterschiedlichsten Ursachen.

  • These 2:

Aber in vielen Fällen gibt es Wege, die Krise zu überwinden.

Oder wenigstens, mit ihr zu leben. Dazu bedarf es aber einer aktiven Auseinandersetzung mit den Ursachen und Wirkungen der Krise.

  • These 3:

Viele Krisen haben ihre Ursache in einer dummen Entscheidung.

Oft wird dies aber erst im Nachhinein klar, wenn es zu spät ist. Nehmen Sie nur den Brexit. Natürlich war das eine dumme Entscheidung. Denn wirtschaftlich werden die EU und noch mehr Großbritannien darunter leiden, jeder weiß es. Und die Vorteile, die sich die Befürworter im Vereinigten Königreich vom Brexit versprochen haben, werden wohl nur zu einem kleinen Teil eintreten. Aber an diesem Beispiel tritt auch eines klar hervor:

  • These 4:

Nicht immer kann man die Krise abwenden.

Denn viele Menschen haben ja auch gegen den Brexit gestimmt. Aber sie waren eben in der Minderheit. Dennoch sind auch sie von den negativen Folgen dieser Entscheidung betroffen, ob sie wollen oder nicht. Aber dazu später mehr.

  • Kommen wir aber zurück zu These 1:

Krisen gibt es viele, und sie haben die unterschiedlichsten Ursachen.

Sie lesen diesen Text also, weil Sie sich mit Ihrer Krise beschäftigen und sie nach Möglichkeit überwinden wollen. Dann schauen wir doch einmal genauer hin:

Vielleicht haben Sie 80.000 € Schulden und keinen Plan, wie Sie die je zurückzahlen sollen. Oder Sie haben einen schweren Unfall gehabt und sind jetzt für den Rest Ihres Lebens gehbehindert. Oder Sie haben sich unsterblich in jemanden verliebt, aber die oder der möchte nichts von Ihnen wissen.

Was ist schlimmer?

Ich möchte mich im Folgenden lediglich mit finanziellen Krisen beschäftigen. Und lediglich heißt dabei: Von den drei genannten Fällen ist der erste Fall nicht der Schlimmste. Und das ist schon mal eine gute Nachricht, die Sie nicht vernachlässigen sollten: Sie haben „nur“ finanzielle Schwierigkeiten. Davon gehe ich im Folgenden aus. Dieses „nur“ steht in Anführungszeichen, weil die finanzielle Krise natürlich nicht für sich allein steht. Infolge Ihrer Zahlungsschwierigkeiten haben Sie vielleicht mit depressiven Anwandlungen zu kämpfen, können nicht mehr ruhig schlafen und bekommen schon schlechte Laune, wenn Ihr Blick auf Ihren Briefkasten fällt oder zucken zusammen, wenn es an der Tür klingelt, denn das letzte Mal stand da der Gerichtsvollzieher. Oder auch umgekehrt: Sie haben ihre Arbeit verloren, oder Ihr Partner hat sich von Ihnen getrennt und in der Folge sind Sie emotional auf Talfahrt gegangen und das Geld hat in Folge dieses Schicksalschlages hinten und vorn nicht mehr gereicht und Sie haben sich einen Kredit aufschwatzen lassen und haben dann aber über Ihre Verhältnisse gelebt, weil Sie glaubten, Sie hätten wenigstens das verdient, wenn das Schicksal Ihnen schon so übel mitspielt.

Bedenken wir also, eine finanzielle Krise hat nicht nur rein finanzielle Aspekte, sondern vielfältige, die plötzlich einen nicht unwesentlichen Teil Ihres Lebens mit bestimmen.

Aber grämen Sie sich nicht, sondern lesen noch einmal oben die These 2!

These 3 lautete:

Viele Krisen haben ihre Ursache in einer dummen Entscheidung.

Wie ist das bei Ihnen? Sortieren wir etwas. Haben Sie über Ihre Verhältnisse gelebt? Dann befinden Sie sich in bester Gesellschaft. Nehmen Sie nur den italienischen Staat. Die Regierenden möchten ihre Macht festigen. Dazu brauchen sie die Gunst der Wähler. Und um die zu erlangen, geben sie fremdes Geld aus. Steuergeld, das in Wirklichkeit natürlich gar nicht da ist. Zum Beispiel für auf Pump finanzierte Rentenerhöhungen oder ein Grundeinkommen. Schon heute ist klar, dass dieses geliehene und großzügig ausgegebene Geld nie wird zurückgezahlt werden können. Wovon auch?
Oder nehmen Sie die Europäische Zentralbank (EZB). Deutschland und Europa geht es vergleichsweise gut. Statt aber Schulden zurückzuzahlen wird massiv Liquidität in den Markt gepumpt und damit die Chance, in kommenden Krisenzeiten die Wirtschaft anzukurbeln, vertan. Schon wieder legt die EZB ein neues Sonderprogramm namens TLTRO 3 auf, mit dem sie den Geschäftsbanken 100 Millionen Euro zu günstigen Konditionen anbietet. Mit diesem Schneeballsystem fährt die EZB die Währungsstabilität sehenden Auges gegen die Wand. Viel Glück, nächste Generation.
Das ist nun wirklich überhaupt nichts anderes, als wenn ich finanziell gerade so über die Runden komme, mir dann aber ein dickes Auto kaufe; das Geld kommt von der BMW-Bank. Die sichert sich gegen meine Zahlungsunfähigkeit ab durch eine Kreditausfallversicherung. Diese Versicherung muss natürlich auch bezahlt werden. Aber nicht von der Bank, deren Risiko ja abgesichert wird, sondern praktischerweise von mir. Ich habe zwar gar kein Geld, aber dafür wird der Kredit einfach ein bisschen erhöht, und schon kann ich die Versicherungsprämie für die Bank gleich mitbezahlen. Die Auszahlung erfolgt praktischerweise in einer Summe gleich von der Bank an die Versicherung. BMW ist hier natürlich nur ein Beispiel, die Masche läuft überall gleich. Leider muss ich natürlich auch eine Vollkaskoversicherung abschließen, sonst bekomme ich ja den Kredit nicht. Denn das Motto lautet: Sämtliche Risiken landen bei mir. Und so häufen sich schnell Verbindlichkeiten an, die eigentlich unnötig sind und für die ich keinen wirklichen Gegenwert erhalte.
Das wirklich Fatale ist aber etwas ganz anderes, und nicht gleich auf den ersten Blick sichtbar: Zwar hatte auch Ihr acht Jahre alter Polo Sie von A nach B gebracht. Dafür können Sie aber jetzt das schöne Gefühl haben, in einer wirklich schicken Luxuslimousine über die Straßen zu gleiten. Und wenn Sie auf dem Parkplatz aussteigen, richten sich bewundernde Blicke auf Sie. Glauben Sie. Aber nach einer gewissen Zeit werden Sie sich an ihren schönen Audi oder was auch immer gewöhnt haben. Das ist dann gar nichts Besonderes mehr, sondern der fährt Sie auch nur von A nach B. Und die Ledersitze sind eben auch nur Autositze. Bequem bestimmt, und nicht schlecht, wenn man es sich leisten kann, aber für Sie, der Sie nun verschuldet sind, ein hoher Preis. Und nach drei Jahren? Da sitzen Sie in Ihrem schönen Auto, denken manchmal daran zurück, dass Sie mit Ihrem Polo in der Stadt immer leichter einen Parkplatz bekamen, als jetzt mit Ihrem großen Auto, denken daran, wie schön es sein könnte, mit diesem großen Auto in den Urlaub zu fahren, was aber für Sie leider aufgrund Ihrer finanziellen Situation nicht mehr möglich ist, und schielen vielleicht insgeheim auf den Porsche Cayenne nebenan.
(Aber: Selbst wenn Sie den von der Porsche-Bank finanziert bekämen, so würde das nur Ihre prekäre finanzielle Situation endgültig in die finanzielle Katastrophe führen und es würde sich nur auf höherem Niveau wiederholen, was Sie schon mit Ihrem BMW oder Audi erlebt haben. Wussten Sie übrigens, dass 90 % der Cayenne im wirtschaftlichen Eigentum von Banken stehen?)

Oder war es die schöne Eigentumswohnung, die der Makler Ihnen ans Herz gelegt hat? Eigentlich für Sie zu groß, aber eben doch auch sehr schön. Leider aber mit einer zerstrittenen Eigentümergemeinschaft und – wie sich jetzt herausstellt – der Notwendigkeit einer aufwändigen Dachsanierung und den damit einhergehenden Sonderzahlungen. Damit hatten Sie nicht gerechnet.

Oder Sie hatten Ihr Erspartes in eine lukrative Schiffsfinanzierung gesteckt. Und weil alles so schön und lukrativ war, hatten Sie sogar noch ein Darlehn aufgenommen, um noch mehr Anteile erwerben zu können. Bis Sie dann Post vom Insolvenzverwalter des Schiffsfonds bekamen. Der teilte Ihnen nicht nur lapidar mit, dass Ihr Geld nun weg war, sondern verlangte von Ihnen sogar noch frühere Auszahlungen zurück. Als Sie mit diesem Schreiben zu Ihrer Bank gingen, um Ihren Kredit, den Sie ja nun wegen der vermeintlich schlauen Anlage in die Schiffsfonds aufgenommen hatten, und den Sie ja trotz der Insolvenz der Fondsgesellschaft Ihrer Bank noch zurückzahlen müssen, um den Betrag zu erhöhen, den der Insolvenzverwalter jetzt von Ihnen zurückverlangt, lachte man Sie nur deshalb nicht aus, weil Banker höfliche Menschen sind, die ihre Kunden nie auslachen. Aber nur deshalb.

Aber es gibt natürlich auch noch viele andere Möglichkeiten, in die finanzielle Krise zu geraten, und nicht alle Entscheidungen sind dumm, sondern viele Entscheidungen erweisen sich im Nachhinein einfach nur als falsch. Deshalb sollte These 3 vielleicht besser lauten:

Viele Krisen haben ihre Ursache in einer falschen Entscheidung.

Nehmen Sie zum Beispiel die Heirat von Daimler und Chrysler im Jahre 1998, ein Milliardendeal. 2000, 2001, 2003 und 2006 machte Chysler riesige Verluste. 2007 wurde die Ehe wieder aufgelöst. Oder nehmen Sie den Kauf von Monsanto durch Bayer. Vermutlich war das kein gutes Geschäft. Vielleicht hatten auch Sie eine Geschäftsidee, die sich nicht verwirklichen ließ und nichts als Schulden hinterließ, oder Sie haben in einem eigentlich gut laufenden Unternehmen zu viele Filialen aufgemacht (wie Schlecker oder Klinck) und nun holen diese Entscheidungen Sie ein.

Egal. Wie auch immer Ihre Krise entstanden ist:

  • These 5:

Was Sie unbedingt benötigen, ist eine Bestandsaufnahme.

Und die besteht aus zwei Teilen. Das eine erfordert gedankliche Arbeit, das zweite ist eine Fleißaufgabe. Für beides brauchen Sie Zeit und Kraft. Nehmen sie das in Angriff, wenn Sie sich fit dafür fühlen. Aber nehmen Sie das in Angriff!

Analysieren Sie die Ursachen Ihrer Krise

Wobei es hier ganz bewusst „analysieren“ heißt und nicht „beschönigen“. Schreiben Sie die Dinge nieder. Denken Sie an Ihren Zahnarzt. Der sagt auch nicht „wird schon werden“, sondern stochert auf Ihren Zähnen rum, um auch die kleinste weiche Stelle zu finden. Das ist durchaus unangenehm. Und trotzdem gut und notwendig. Denken Sie daran: Sie müssen sich nicht rechtfertigen, keiner muss das je lesen, Sie tun das für sich und Ihre Zukunft und Ihr Seelenheil. Sie müssen herausfinden, wie es zu der Lage kam, in der Sie sind. Diese Arbeit kann durchaus schmerzhaft sein. Aber sie schafft Klarheit, die Sie brauchen, auch, um die Lage, in der Sie sind, für sich zu akzeptieren. Also los! Denken Sie an Ihren Zahnarzt.

Und dann kommt die Fleißarbeit:

Stellen Sie ein Gläubigerverzeichnis zusammen.

Das kann eine Exel-Tabelle sein, oder einfach ein Blatt Papier. Richten Sie Spalten ein für alles, was wichtig sein könnte. Dann nehmen sie das letzte Mahnschreiben eines jeden Gläubigers und tragen in Ihre Liste ein:

Wer ist der Gläubiger? Anschrift, Aktenzeichen, Forderungsgrund? Durch wen wird die Forderung geltend gemacht, Inkassofirma, Rechtsanwalt? Wann ist die Forderung entstanden, wann wurde sie zuletzt geltend gemacht, Datum der letzten Mahnung? Wie hoch ist die Forderung insgesamt? Ist die Forderung so in Ordnung, oder können sie einen Teil davon oder sogar alles bestreiten? Ist sie tituliert, Vollstreckungsbescheid, Urteil? Gibt es irgendetwas Besonderes zu dieser Forderung anzumerken, hat vielleicht jemand dafür gebürgt, ist sie noch nicht fällig oder sonst irgend etwas?

Dann tragen Sie Forderung für Forderung in diese Spalten ein und nummerieren sie fortlaufend. Die jeweilige laufende Nummer tragen Sie oben rechts auf jedem Mahnschreiben ein und legen einen Ordner an, in den Sie diese Schreiben abheften. Wenn für eine Forderung weitere Unterlagen wichtig sind, heften Sie die hinter das Mahnschreiben, also etwa eine Kopie des Mietvertrages für Mietrückstände oder einen Leasingvertrag für entsprechende Schulden oder einen Grundbuchauszug hinter Darlehnsschulden und so weiter.

Und dabei ist es gleich, ob Sie drei Gläubiger haben oder 45. Ich sagte nicht ohne Grund: Fleißarbeit. Haben Sie viele Gläubiger, dann fertigen Sie diese Aufstellung in mehreren Etappen an. Wenn Sie das hinter sich haben, genießen Sie die folgende These 6.

  • These 6:

Sie waren gut!

Sie haben bis hierhin gelesen, oder sogar das Gläubigerverzeichnis fertig. Gönnen Sie sich etwas! Nein, keinen Urlaub auf den Malediven, auch keinen Abend im Sternerestaurant. Was das auch immer sein könnte: Ein schöner Spaziergang am Strand, das haben Sie vielleicht schon lange nicht mehr gemacht; ein Besuch bei einem Freund, den Sie lange nicht gesehen haben, egal was, tun Sie es in dem Bewusstsein, einen wichtigen Schritt auf dem Weg aus Ihrer Krise erfolgreich hinter sich gebracht zu haben. Tun Sie es für sich.

Und weiter gehts mit: To do.